Abnehmspritzen in der Schweiz: Zahlt die Krankenkasse?
Hype um die Abnehmspritze: Zahlt die Krankenkasse? Wie viel kostet die Fett-weg-Spritze? Was sind die Nebenwirkungen? Comparis informiert.
27.06.2024
iStock / Douglas Cliff
1. Welche Abnehmspritzen gibt es in der Schweiz?
Wegovy ist derzeit die einzige in der Schweiz zugelassene Abnehmspritze. Sie ist von der Grundversicherung gedeckt. Sie ist die Nachfolgerin von Saxenda, die ebenfalls vom dänischen Hersteller Novo Nordisk stammt. Seit Ende März 2024 ist Saxenda in der Schweiz nicht mehr verfügbar.
Ozempic und Mounjaro sind in der Schweiz ebenfalls zugelassen. Die Zulassung gilt aber ausschliesslich zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2.
2. Wer bekommt die Abnehmspritze?
Abnehmspritzen sind weder Lifestyle-Medikament noch mit einem kosmetischen Eingriff zu vergleichen: Wegovy ist speziell für die Behandlung von starkem Übergewichtig zugelassen. Es muss eine medizinische Notwendigkeit zum Abnehmen bestehen. Die Abnehmspritze kann gerade nach mehreren nicht erfolgreichen Abnehmversuchen helfen.
Wichtig ist: Es ist eine Übergangslösung. Für eine erfolgreiche Therapie müssen Patientinnen und Patienten auch ihren Lebensstil anpassen. Dazu gehört etwa eine Ernährungsumstellung. Ohne solche begleitenden Massnahmen kommt es nach dem Absetzen der Spritze oft zum Jo-Jo-Effekt.
Für Diabetikerinnen und Diabetiker gibt es andere Medikamente wie Ozempic oder Mounjaro. Sie dienen hauptsächlich der Blutzuckerkontrolle.
Jo-Jo-Effekt heisst: Kurz nach einer Diät nehmen Sie wieder zu – teilweise über das Startgewicht hinaus. Er tritt besonders dann auf, wenn der Körper durch die Diät neben Fett auch Muskeln abbaut.
Einer der Gründe: Wenn der Körper weniger Energie bekommt, stellt er sich darauf ein. Er braucht dann im Ruhezustand insgesamt weniger Energie. Bekommt er nach einer Diät wieder mehr Energie, baut er wieder Fettreserven auf.
3. Abnehmspritze Wegovy: Krankenkasse zahlt mit Bedingungen
Seit dem 1. März 2024 übernehmen für die Wegovy-Abnehmspritzen die Krankenkassen die Kosten. Begleitmassnahmen entscheiden aber über den Therapieerfolg. Deswegen stellen Versicherer für eine Kostenübernahme der Fett-weg-Spritze Bedingungen:
Sie wenden sich an Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt. Sie oder er überweist Sie an eine Fachperson für Endokrinologie oder ein Adipositas-Zentrum. Nur sie dürfen Abnehmspritzen verschreiben.
Abnehmspritzen sind in der Schweiz nur für Personen ab 18 Jahren zugelassen.
Sie leiden an Adipositas (BMI über 35). Auch bei starkem Übergewicht (BMI über 28) mit einer Begleiterkrankung übernimmt die Krankenkasse. Begleiterkrankungen sind etwa Bluthochdruck, Diabetesvorstufe, Schlafapnoe oder erhöhte Blutfette.
Begleitend zur medikamentösen Therapie besuchen Sie regelmässig die Ernährungsberatung und machen eine «500-Kalorien-Defizit-Diät». Das heisst: Sie essen 500 Kilokalorien weniger als Ihr Tagesbedarf.
Mehr körperliche Aktivität ist erforderlich. Das können Sie zum Beispiel mit einem Schrittzähler nachweisen.
Gemeinsam mit einer Fachperson legen Sie Ihr Gewichtsziel fest. Sie messen regelmässig Ihren Fortschritt. Nur wenn Sie Ihre Therapieziele erreichen, zahlt die Krankenkasse weiterhin.
Wichtig: Haben Sie bereits eine bariatrische Operation hinter sich, besteht keine Kassenpflicht. Zu den bariatrischen Operationen gehören etwa:
Magenbypass (Magenverkleinerung)
Magenband (Unterteilung des Magens in einen Vormagen und einen Restmagen)
Gastrektomie (teilweise Magenentfernung)
4. Fett-weg-Spritze: Kosten in der Schweiz
Wegovy kostet 188.15 Franken pro vier Wochen. Die Krankenkasse übernimmt neunzig Prozent der Kosten nach der Franchise. Nach weiteren 700 Franken Selbstbehalt übernimmt die Krankenkasse alle Kosten.
Beispielrechnung mit Kostenübernahme Grundversicherung:
Jährliche Kosten: 2’445.95 Franken pro Jahr. Das entspricht 188.15 Franken pro vier Wochen.
Franchise: 300 Franken
Restbetrag nach Franchise: 2’445.95 Franken – 300 Franken = 2’145.95 Franken
Kostenübernahme durch Krankenkasse (90 Prozent): 90 Prozent von 2’145.95 Franken = 1’931.36 Franken
Selbstbehalt (10 Prozent): 10 Prozent von 2’145.95 Franken = 214.50 Franken
Gesamtkosten für die Patientin oder den Patienten: 300 Franken (Franchise) + 214.50 Franken (Selbstbehalt) = 514.50 Franken pro Jahr
Stand: Juni 2024
Je nach Anbieter zahlt die Zusatzversicherung zumindest einen Teil der Abnehmspritzen-Kosten. Geht das nicht, dann tragen Sie den vollen Preis von 188.15 Franken pro Monat selbst.
Die Abnehmspritzen sind allerdings nur begrenzt verfügbar. Es gibt immer wieder Lieferengpässe. Darum verschreiben Ärztinnen und Ärzte das Medikament für Selbstzahlende oft nicht.
Das BAG erwartet Mehrkosten von ungefähr 100 Millionen Franken pro Jahr. Laut Krankenkassen-Verband Santésuisse liegen die Mehrkosten bei mindestens 300 Millionen Franken. Das gilt, wenn sich zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung mit Wegovy behandeln lassen. Kosten für Arzt und zusätzliche Behandlung sind nicht mitgerechnet.
Aber: Die Kosten für Folgekrankheiten von starkem Übergewicht sind hoch. Indem Abnehmspritzen diese reduzieren, können Krankenkassen hier langfristig sparen. In der Schweiz sind zwölf Prozent der Bevölkerung adipös und 43 Prozent übergewichtig. Entsprechend gross ist der Bedarf an wirksamen Behandlungsmethoden wie die Therapie mit Wegovy.
5. Wie wirkt die «Fett-weg-Spritze» Wegovy?
In erster Linie verzögert Wegovy die Magenentleerung. Dadurch fühlen Sie sich länger satt und essen weniger. Viele Patientinnen und Patienten berichten zudem, dass sie fettreiche Mahlzeiten als unangenehmer empfinden.
Wegovy baut so vor allem das sogenannte viszerale Fett ab. Das sammelt sich um die inneren Organe im Bauchraum und ist schädlich für das Herz-Kreislauf-System.
Eine andere Bezeichnung für die «Fett-weg-Spritzen» ist auch «Hormonspritzen zum Abnehmen». Der Grund: Der Inhalt der Abnehmspritzen kopiert ein natürliches Darmhormon. Das sorgt unter anderem für das Sättigungsgefühl.
Teilnehmende einer Studie reduzierten mit der Spritze im Durchschnitt etwa 15 Prozent ihres Körpergewichts. Die Kontrollgruppe ohne Medikament erreichte nur eine Gewichtsreduktion von zwei bis sechs Prozent. Gemäss Hersteller Novo Nordisk mindert Wegovy ausserdem das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
6. So werden Spritzen zum Abnehmen angewendet
Wie lange die Behandlung dauert, ist je nach Person unterschiedlich. Es gibt Personen, die nach drei Jahren oder kürzerer Behandlung ihr Gewicht dank begleitender Massnahmen halten können. Andere brauchen die Unterstützung durch die Spritze ihr Leben lang.
Die Behandlung erfolgt unter der Aufsicht eines Adipositas-Zentrums oder von endokrinologischem Fachpersonal. Wegovy ist als Fertig-Pen erhältlich, der wie ein Stift aussieht. So können Sie sich das Medikament einmal wöchentlich selbst spritzen.
Gut zu wissen: Endokrinologie ist die Medizin von Hormon-produzierenden Drüsen.
Begleitet wird die Therapie von einer Ernährungsberatung. Denn: Um das reduzierte Gewicht halten zu können, müssen Betroffene auch ihren Lebensstil anpassen. Dazu gehören:
das Essverhalten
die Ernährung
die körperliche Aktivität
7. Welche Nebenwirkungen haben Abnehmspritzen?
Wie bei allen Medikamenten können auch bei Wegovy unerwünschte Nebeneffekte vorkommen. Die meisten treten allerdings nur zu Beginn auf.
Deshalb startet die Behandlung oft mit einer niedrigen Dosierung. Sie wird schrittweise erhöht, sobald die Patientin oder der Patient das Medikament gut verträgt. Über die Langzeitwirkungen ist erst wenig bekannt, da Wegovy noch relativ neu auf dem Markt ist.
In der folgenden Tabelle finden Sie eine Übersicht über häufige Nebenwirkungen:
Nebenwirkung | Häufigkeit | Zusatzinformationen |
---|---|---|
Übelkeit | Sehr häufig | Meistens nur in den ersten Wochen der Behandlung. |
Durchfall | Sehr häufig | Meistens nur in den ersten Wochen der Behandlung. Lässt sich durch Anpassung der Ernährung lindern. |
Verstopfung | Sehr häufig | Lässt sich oft durch mehr Trinken und ballaststoffhaltige Ernährung lindern. |
Erbrechen | Sehr häufig | Meistens nur in den ersten Wochen der Behandlung. |
Bauchschmerzen | Sehr häufig | Unterschiedlich stark ausgeprägt, oft zusammen mit Übelkeit. |
Kopfschmerzen | Sehr häufig | Meistens nur in den ersten Wochen der Behandlung. |
Müdigkeit | Sehr häufig | Meistens nur in den ersten Wochen der Behandlung. |
Schwindel | Häufig | Kann vorübergehend auftreten, meistens zu Beginn der Behandlung. |
Aufstossen | Häufig | |
Blähungen | Häufig | |
Haarausfall | Häufig | |
Hautreaktionen an der Injektionsstelle | Häufig | Rötungen, Juckreiz oder Schmerzen an der Einstichstelle. |
Magenentzündung | Häufig | |
Sodbrennen | Häufig | |
Spannungsgefühl im Bauch | Häufig | |
Verdauungsstörungen | Häufig | |
Gallenstein | Häufig |
Quelle: Europäische Kommission
Sehr häufig: tritt bei über 10 Prozent der Patientinnen und Patienten auf
Häufig: tritt bei 1 bis 10 Prozent der Patientinnen und Patienten auf
Dieser Artikel wurde erstmals produziert am 27.06.2024