Wie finde ich den richtigen Psychologen/Psychologin?
Es gibt nicht nur verschiedene Arten der Psychotherapie. Genauso existieren auch unterschiedliche Schulen in der Psychologie. Finden Sie mit Comparis heraus, welcher Therapeut oder welche Therapeutin zu Ihnen passt.
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Es gibt sieben verschiedene Arbeitsmethoden in der Psychotherapie (sogenannte Schulen). Je nachdem, welche Schule Ihre Behandlungsperson vertritt, werden Sie unterschiedlich therapiert. In der Schweiz anerkennen Krankenkassen vier Schulen: Die kognitive Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologische bzw. psychodynamische Therapie, die Psychoanalyse (nach Freud) und die systemische Therapie. Bei ihrer Behandlung können Psychologen und Psychologinnen zudem verschiedene, sogenannte Perspektiven anwenden. Diese stellt Comparis im Folgenden vor.
Psychodynamische Perspektive
Tiefenpsychologisch fundierte und psychoanalytische Verfahren (Oberbegriff: Psychodynamische Verfahren) haben die Grundannahme der Existenz eines Unbewussten gemein. Als Gründungsvater der psychoanalytischen Perspektive prägte Sigmund Freud den Begriff des Unbewussten. Demnach formen innere Kräfte unsere Persönlichkeit. Die Ursache menschlichen Verhaltens gründet nicht im Streben nach purer Lebensfreude, sondern dient der Reduktion von inneren Spannungen. In unserer Psyche kämpfen drei Instanzen gegeneinander. Das Es agiert nach dem Lustprinzip und möchte seine Triebe befriedigt haben. Das Über-Ich spielt sich als moralische Instanz auf und weiss genau, was wir tun sollten. Das Ich steckt mittendrin und versucht zwischen beiden zu vermitteln. Das ist aber nicht immer möglich. Darum entwickelt das Ich zum Schutz Abwehrmechanismen. Mithilfe von Psychoanalyse können wir die innere Harmonie wiederherstellen und das Ich stärken. Psychoanalytische Therapiepersonen helfen dabei, Gedanken und Gefühle aus dem Unbewussten ans Licht zu bringen.
Dieser Ansatz passt zu Ihnen, wenn Sie…
offen sind für Selbstbeobachtung und -analyse
ein tiefes Verständnis für die Ursache Ihrer Probleme erlangen wollen
langfristige Hilfe in Anspruch nehmen möchten (Psychoanalyse benötigt mehr Zeit als andere Behandlungsformen)
eine enge Beziehung zu Ihrer Therapieperson schätzen (Psychoanalyse findet bis zu fünfmal die Woche statt)
Mehr unter:
Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse
Schweizerische Gesellschaft für Analytische Psychologie
Behavioristische Perspektive
John Watson und Burrhus F. Skinner gründeten Anfang des 20. Jahrhunderts die Schule des Behaviorismus. Sie forderten kontrollierte Laborversuche für die Erforschung des menschlichen Bewusstseins. Damit revolutionierten sie die Psychologie. Die Psyche mit ihren Gedanken und Emotionen wird als sogenannte «Black Box» betrachtet. Zu dieser haben wir keinen Zugang und können sie deshalb vernachlässigen. Die Kernfrage im Behaviorismus lautet: Wie beeinflussen Umweltreize unser Verhalten? Psychologen und Psychologinnen der behavioristischen Schule betrachten stets die Umweltbedingungen, wie wir darauf reagieren und welche beobachtbaren Konsequenzen unser Verhalten hat. Durch diese Perspektive wurden neue Therapien zur Modifikation von Verhaltensstörungen ermöglicht.
Dieser Ansatz passt zu Ihnen, wenn Sie…
ein spezifisches Problem haben (die Verhaltenstherapie wirkt besser bei spezifischen Problemen wie z.B. einer Phobie als bei allgemeinen persönlichen Problemen wie z.B. generalisierte Ängste)
bereit sind, sich Ihren Ängsten zu stellen und damit konfrontiert zu werden
aktiv mitarbeiten möchten und «Hausaufgaben» nach der Therapie nicht scheuen
viel Wert auf ein wissenschaftliches Vorgehen legen
Mehr unter:
Arbeitsgemeinschaft Verhaltensmodifikation Schweiz
Kognitive Perspektive
Gemäss der kognitiven Perspektive handeln wir, weil wir nachdenken. Gedanken steuern die Zufriedenheit in unserem Leben. Das Ziel von kognitiven Therapieansätzen ist das Bewusstwerden von negativen Gedanken, die uns daran hindern, ein freies und glückliches Leben zu führen.
Der Schweizer Forscher Jean Piaget konnte in seiner Forschung nachweisen, dass wir im Laufe unserer Kindheit zunehmend kognitive Fähigkeiten entwickeln, die uns dabei helfen, Neues zu lernen und eine Erklärung für die Vorgänge der Welt zu finden. Seine Forschung war wegweisend für die kognitive Psychologie. Heute ist klar, dass viele neue Verhaltensweisen nur durch völlig neue Wege des Denkens auftreten, und nicht durch vorhersagbare Wege, die in der Vergangenheit genutzt wurden.
Dieser Ansatz passt zu Ihnen, wenn Sie…
Überzeugungen, Einstellungen und Denkmuster verändern wollen
unter depressiven Gedanken leiden und diese auflösen möchten
gerne mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin reden und Ihre Gedanken teilen
eher an einer Kurz- als an einer Langzeittherapie interessiert sind
Mehr unter:
Schweizerischer Verband für kognitive Verhaltenstherapie
Humanistische Perspektive
Carl Rogers und Abraham Maslow gründeten die humanistische Perspektive. Humanisten und Humanistinnen sehen stets das Positive im Menschen. Rogers entdeckte, dass der Mensch eine natürliche Tendenz zu geistiger Weiterentwicklung hat. Das Streben nach der Entfaltung seines vollen Potenzials wird durch die positive Wertschätzung anderer verstärkt. Maslow entwarf das Modell der Bedürfnispyramide. An deren Spitze steht die Selbstverwirklichung. Nur wenn grundlegendere Bedürfnisse wie der Wunsch nach Sicherheit, das Streben nach Anerkennung und soziale Bedürfnisse erfüllt sind, ist eine Selbstverwirklichung möglich.
Rogers und Maslow glaubten, dass ein tiefes Verständnis in der Psychologie nur durch das Einbeziehen von verschiedenen Faktoren, wie etwa der Kunst und Kultur, möglich ist.
Dieser Ansatz passt zu Ihnen, wenn Sie…
an Selbstwachstum und Selbstverwirklichung interessiert sind
eine optimistische Sichtweise auf sich und Ihre Probleme erreichen wollen
sich einen Therapeuten oder eine Therapeutin wünschen, die eigene Erfahrungen im Therapieprozess mit Ihnen teilt
Mehr unter:
Biologische Perspektive
Die biologische Perspektive konzentriert sich auf die Gene, das Gehirn und das Nervensystem. Viele Forschende mit einer biologischen Perspektive arbeiten im Bereich der verhaltensbezogenen oder kognitiven Neurowissenschaften (Hirnforschung). Die biologische Perspektive will die körperlichen Prozesse und Veränderungen hinter dem menschlichen Verhalten verstehen. Sie versucht, biologische Vorgänge als Verhaltensursache zu begreifen. Ein Beispiel: Wir ziehen unsere Hand von der heissen Herdplatte zurück. Das lässt sich mit einem bioelektrischen Reflex erklären und nicht mit einem bewussten Gedankengang. Dieser kommt erst später mit den Brandblasen. Biomedizinische Therapien sehen als Ursache psychischer Störungen oftmals Ungleichgewichte in den Vorgängen des Gehirns und behandeln diese dementsprechend.
Dieser Ansatz passt zu Ihnen, wenn Sie
eine medikamentöse Therapie benötigen (z.B. bei Schizophrenie, schwerer Depression, bipolarer Störung oder Angststörung)
bereit sind, Ihre Therapie in enger Abstimmung mit einem Arzt vorzunehmen. Es besteht die Gefahr von Gewöhnungseffekten und Sucht
sich der Nebenwirkungen von Medikamenten bewusst sind und diese zugunsten einer besseren psychischen Verfassung in Kauf nehmen
Mehr unter:
Schweizerische Gesellschaft für Biomedizinische Ethik
Evolutionäre Perspektive
Die evolutionäre Perspektive blickt auf unsere Vergangenheit und erklärt heutiges Verhalten anhand der Evolutionstheorie, die mit der Forschung von Charles Darwin begann. Er fand heraus, dass die Lebewesen, die sich am besten ihrer Umwelt anzupassen vermochten, die grössten Überlebenschancen hatten. Doch nicht nur im Tierreich, sondern auch bei uns Menschen ist eine ganze Reihe von Verhaltensweisen evolutionsbedingt.
Wie viel Selbstbestimmung steckt in uns und was haben wir evolutionsbedingt vererbt bekommen? Diese Frage versucht die evolutionäre Perspektive zu beantworten. Sie geht davon aus, dass kognitive und körperliche Fähigkeiten sich über Millionen von Jahren entwickelten und uns bis heute prägen.
Dieser Ansatz passt zu Ihnen, wenn Sie…
an theoretischen und eher allgemeinen Ursachen Ihrer Probleme interessiert sind
die Evolution als zentrales Erklärungsprinzip annehmen können
Mehr unter:
Arbeitsgruppe Evolutionäre Psychologie der Universität Kassel
Kulturvergleichende Perspektive
Kulturvergleichende Psychologen und Psychologinnen versuchen herauszufinden, ob die bisher entwickelten Theorien auf alle Menschen zutreffen oder nur auf eine enge Population. In vielen Forschungen konnte die kulturvergleichende Perspektive aufzeigen, dass die Kultur, in der wir aufwachsen, einen entscheidenden Einfluss auf unser Verhalten hat.
Dieser Ansatz passt zu Ihnen, wenn Sie…
einen Therapeuten oder eine Therapeutin suchen, der oder die Kenntnisse über Ihre individuelle Kultur in den Therapieprozess integriert
Mehr unter:
Gesellschaft für Kulturpsychologie e.V.
Wie finde ich den passenden Psychologen?
Zwar steht jede Perspektive für einen unterschiedlichen Ansatz zu zentralen Themen in der Psychologie. Dennoch setzen die meisten Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen mehr als eine Perspektive in ihrer Arbeit ein. Viele psychologische Schulen haben sich im Laufe der Jahre aneinander orientiert und voneinander gelernt.
Trotzdem haben viele psychotherapeutische Praxen einen bestimmten Fokus. Praxen, die humanistisch orientiert sind, arbeiten zum Beispiel anders als Vertreter und Vertreterinnen der Psychodynamik. Wer zu einem Psychoanalytiker oder einer Psychoanalytikerin geht, wird anders behandelt als von einem Humanisten oder einer Humanistin.
Alle Psychologen und Psychologinnen haben eine langjährige und fundierte Ausbildung hinter sich. Dennoch sind sie frei in der Wahl der Perspektive, mit der sie ihre Patienten und Patientinnen betrachten und auf dem Weg zur Heilung begleiten.
Überlegen Sie sich, welche Perspektive Ihnen zusagt, und achten Sie bei der Auswahl eines Therapeuten oder einer Therapeutin darauf, welche Perspektive er oder sie vertritt. Im Artikel Therapievermittlung zeigt Comparis konkret auf, wo Sie den passenden Therapeuten oder die passende Therapeutin finden.
Quellen
Benson, N., Collin, C., Ginsburg, J., Grand, V., Lazayan, M., Weeks, M. (2012). Das Psychologie Buch. München, Deutschland: Dorling Kindersley.
Gerrig, R. J. (2016). Psychologie (20. Auflage). Hallbergmoos, Deutschland: Pearson.